Wenn am morgigen Mittwoch der Anpfiff zur Europapokalpartie des FC Bayern München gegen den FC Barcelona erfolgt, dann – nach Monaten der Teil- bzw. Vollauslastung – wieder vor leeren Rängen. Die Geisterspiele sind zurück. Lautstark dafür getrommelt und schlussendlich verordnet haben diese Ministerpräsident Markus Söder und sein Kabinett. Der gleiche Söder, der noch im September unmissverständlich kommunizierte: "Es wird keine Geisterspiele und keinen Lockdown mehr geben."

Wir finden es richtig, dass man angesichts extrem hoher Zahlen an Kranken und Toten reagieren will, aber es stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Nicht nur "die ZEIT" bezeichnete das Vorgehen bei den Geisterspielen als "inkonsistente Symbolpolitik".

Die bayerische Staatsregierung führt vor allem die Anfahrtswege in öffentlichen Verkehrsmitteln zum Stadion als Grund für die Einschränkungen an. Dabei verschweigt sie aber, dass für den Stadionbesuch in Bayern seit einigen Spieltagen die 2G+ Regel galt und somit nur geimpfte und genesene Personen mit zusätzlichem Test Zutritt erlangten. Damit ist die Ansteckungsgefahr auf den Fahrten zum und vom Stadion deutlich geringer als zum Beispiel im Berufsverkehr, für den nur 3G gilt. Selbst im Pandemie-Jahr 2020 haben immer noch mehr als eine Million Menschen die Verkehrsmittel der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), zu denen die S-Bahnen gar nicht mitzählen, genutzt – und das täglich. Währenddessen waren beim letzten Heimspiel des FC Bayern (gegen Bielefeld) nur mehr 12.000 Zuschauer zugegen, obwohl mehr Fans ins Stadion gedurft hätten. Und von diesen Fans dürfte ein nicht unerheblicher Anteil ohnehin mit dem Auto angereist sein.

Trotz der Gewissheit, dass nur ein verschwindend geringer Prozentsatz aller Infektionen im Freien stattfinden (laut einer groß angelegten irischen Studie sind dies nur 0,1 Prozent!), bleiben nun also wieder hunderte Quadratmeter Freifläche der Stadiontribünen Sperrgebiet. Da der Spielbetrieb nicht in Frage gestellt wird, ist die Konsequenz daraus, dass sich viele Fans in geschlossenen Räumen treffen werden, in welchen das Ansteckungsrisiko um ein Vielfaches höher ist als unter freiem Himmel wie in einem Fußballstadion. So wies der Aerosolexperte und frühere Präsident der Internationalen Gesellschaft für Aerosole in der Medizin, Dr. Gerhard Scheuch erst kürzlich in einem Interview mit n-tv darauf hin, dass auch das unter Vollauslastung ausgetragene Derby in Berlin “zu keinem großen Cluster-Ereignis führen (wird), weil diese Aerosol-Wolke relativ schnell verdünnt wird”.

Von Geisterspielen hält er deswegen auch nichts: "Wenn ich Politiker wäre, würde ich alles dafür tun, um die Leute zu motivieren, ins Freie zu gehen. […] Also, raus an die frische Luft, auf Weihnachtsmärkte, ins Stadion, auch mal in den Park".

Zusammengefasst ist es für uns absolut unverständlich, warum ein Fußballspiel mit geimpften und getesteten Zuschauern ein nicht akzeptables Infektionsrisiko darstellen soll, während zum Beispiel in der bayerischen Staatsoper mit denselben Vorkehrungen (2G+, FFP2-Maskenpflicht am Platz) der Spielbetrieb im INNENRAUM mit 25% Auslastung weiterlaufen darf. Auch im regionalen bayrischen Eishockey sind in den geschlossenen Hallen Zuschauer erlaubt.

Wenn der Staatskanzlei nun einzufallen scheint, dass der Profifußball während der Pandemie einige Privilegien genoss, waren das sicher nicht wir aktiven Fans, die schon letztes Jahr mit Geisterspielen vorliebnehmen mussten. Will man einen Infektionsherd beim Fußball ausmachen, so waren dies in den letzten Wochen wohl eher die Umkleidekabinen. Da muss man gar nicht mal nur nach Sandhausen mit sagenhaften 18 Corona-Fällen schauen, auch wir hatten und haben ja leider einige Fälle im Kader.

Stuft man das dynamische Pandemiegeschehen und die aktuelle Situation auf den Intensivstationen als derart gravierend ein, dass man um tiefgreifende Einschränkungen nicht umhinkommt – und zu dem Schluss kann man durchaus gelangen – dann müsste man daraus konsequenterweise zwei Schlüsse ziehen: Lasst euch impfen! Und: folgt Helge Leonhardt, Präsident des Zweitligisten Erzgebirge Aue, der Ende November davon sprach, dass "wir einen Fußball-Lockdown bis Ende Dezember brauchen" und setzt den Spielbetrieb aus. Auch in der Regionalliga Bayern war dies offenbar möglich: hier wurden am Wochenende in Absprache mit dem Verband fast alle regulären Partien, aber auch Nachholspiele abgesagt.

Daher appellieren wir an die Staats- und Bundesregierung sowie die Verbände, einheitliche, faire und sinnvolle Regelungen für alle Sportarten und Kulturveranstaltungen zu schaffen und auf reine Symbolpolitik zu verzichten.

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