In Zeiten von Vorratsdatenspeicherung und zunehmend populistischen Maßnahmen gegen Fußballfans verwundern Enthüllungen darüber, was bei Behörden im Verborgenen abläuft, oft nicht mehr. Dieser Gewöhnungseffekt und die damit oft verbundene Gleichgültigkeit spielt den Institutionen, die hinter diesen Maßnahmen stehen, jedoch in die Hände.

Die Rechtshilfe des Club Nr. 12 möchte in Zusammenarbeit mit dem Fanprojekt München und Vertretern der AG Fananwälte jetzt ein Zeichen setzen. Im Rahmen einer Sammelanfrage vor dem Spiel gegen den HSV am kommenden Samstag (25.02.) wird jedem interessierten Fan die Möglichkeit geboten, Auskunft über möglicherweise gespeicherte persönliche Daten in der SKB-Datenbank des Polizeipräsidiums München zu erlangen.

Stell Dir vor, nach einer langen Fußballsaison möchtest Du mit Deinen Liebsten zusammen in den Sommerurlaub aufbrechen und Ihr macht Euch deshalb auf den Weg zum Flughafen. Nachdem Ihr euer Gepäck aufgegeben habt, begebt Ihr Euch zur Passkontrolle und erlebt dort eine böse Überraschung: Dir wird die Ausreise verweigert, denn unter Deinem Namen taucht im Computer der Hinweis auf, dass Du ein polizeibekannter Fußballgewalttäter bist. Dein Pech ist, dass im Nachbarland Deines Reiseziels in diesem Sommer ein internationales Turnier stattfindet, weshalb man Dich als "Gefährder der öffentlichen Sicherheit" lieber nicht in dessen Nähe haben möchte.

Du denkst, das ist ein unglaubwürdiges Szenario? Leider nein. Die bundesweite Datei "Gewalttäter Sport" dürfte den meisten Fußballfans ein Begriff sein. Immerhin rund 1.600 bayrische Fußballfans sind dort aktuell erfasst, bundesweit sogar eine fünfstellige Anzahl. Die Zahl der erfassten Fußballfans ist u.a. deshalb so hoch, weil es noch nicht mal der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen eine Person bedarf, um in die Datei aufgenommen zu werden. Auch bei erwiesener Unschuld erfolgt die Löschung des Datensatzes nicht automatisch, sondern nur auf expliziten Antrag des Betroffenen.

Durch parlamentarische Anfragen in den Bundesländern sind in den letzten zwei Jahren nun noch weitere solcher Datenbanken auf Ebene der Landespolizeien ans Licht gekommen. Diese Datenbanken sind aus datenschutzrechtlicher Sicht sehr umstritten. In Hamburg musste die Datenbank auf Anweisung des dortigen Datenschutzbeauftragten sogar gelöscht werden. Durch eine Anfrage der bayerischen Landtagsabgeordneten Katharina Schulze an die Landesregierung wurde inzwischen öffentlich bekannt, dass auch in vier bayerischen Polizeipräsidien solche Datenbanken geführt werden. Problematisch daran ist unter anderem, dass diese ohne Prüfung durch den Datenschutzbeauftragten des Landes errichtet wurden. Darüber hinaus gibt es wenig Transparenz darüber, wer nach welchen Kriterien in der Datenbank erfasst wird, welche Daten über betroffene Personen dort gespeichert sind und an wen die Daten zu welchem Zweck weitergegeben werden. Betroffene wissen u.U. noch nicht einmal von der Existenz dieser Datenbank.

Beim Polizeipräsidium München sind in der Informationsdatei Sport (auch als SKB-Datenbank bekannt) aktuell über 1.000 Münchner Fußballfans erfasst. SKB steht hierbei für szenekundiger Beamter. Die potentiell erfassten Daten reichen vom Namen, über Religionszugehörigkeit bis hin zur DNA. Aufgenommen werden dabei beileibe nicht nur rechtskräftig verurteilte Straftäter, sondern es genügt bereits, mit einer Straftat in Verbindung gebracht zu werden. Auslöser für die Erfassung der persönlichen Daten ist dabei nicht zwangsläufig die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Stattdessen reicht es aus, wenn im Kontext einer möglichen Straftat die Personalien (auch zufällig) Umstehender aufgenommen wurden. Eine Information über die Aufnahme an die Betroffenen erfolgt nicht.

Wie finde ich heraus, ob und wenn ja welche Daten über mich hinterlegt sind?

Hierfür ist es erforderlich, einen persönlichen Antrag beim entsprechenden Polizeipräsidium zu stellen und Auskunft über die möglicherweise erfassten Daten zu verlangen. Die Rechtshilfe des Club Nr. 12 organisiert deshalb vor dem Spiel gegen den Hamburger SV am 25. Februar eine Gemeinschaftsaktion zur gesammelten Erstellung und Einreichung der Anfrageformulare um bei der Stellung von Anträgen zu unterstützen.

Ihr findet uns am Spieltag von 12.00 bis 14.00 Uhr am Streetwork-Bus am Fuß der Esplanade. An unserem Stand wird es die Möglichkeit geben, Anträge auszufüllen und uns diese, zur Wahrung der Anonymität in einem verschlossenen Umschlag zu übergeben. Wir werden anschließend dafür Sorge tragen, dass die abgegebenen Anträge gesammelt an das PP München übergeben werden. Neben Formularen und Briefkuverts werden wir auch einen Kopierer zur Erstellung der Ausweiskopien für Euch bereithalten. Aus Kapazitätsgründen bitten wir Euch aber, eine beidseitige (!) Ausweiskopie im Vorfeld anzufertigen und am Spieltag mitzubringen, soweit Euch dies möglich ist.
Bei Fragen rund um das Thema stehen wir Euch gerne zur Verfügung bzw. leiten Euch im Bedarfsfall gerne an ein Mitglied der AG Fananwälte weiter. Die gesammelten Anträge werden wir in den kommenden Wochen an das Polizeipräsidium München übergeben.

Wenn Ihr zwischenzeitlich noch keine Anfrage gestellt habt, dies aber vorhabt, bitten wir Euch deshalb, bis zum 25.02. zu warten. Das gesammelte Erstellen sowie Überreichen der Anfragen ist uns ein Anliegen, um möglichst wirkungsvoll auf die Existenz dieser Datenbanken hinzuweisen und ein koordiniertes Vorgehen zu ermöglichen, sofern keine zeitnahe und/oder vollständige Auskunft erfolgen wird.

Weitere Informationen zur Erstellung einer Auskunftsanfrage haben wir in den nachfolgenden FAQ für Euch noch einmal detaillierter beschrieben.

Zur weitergehenden Lektüre empfehlen wir außerdem die Pressemitteilung der Bayerischen Fanprojekte und den Kommentar des Münchner Rechtsanwalts Marco Noli (PDF) von der AG Fananwälte oder die offizielle Stellungnahme der AG Fananwälte.

 

Häufig gestellte Fragen

  • Wie kann ich einen Antrag auf Auskunftserteilung stellen?
    Das Fanprojekt München bietet auf seiner Homepage die erforderlichen Formulare zum Download an. Zusammen mit einer Kopie von Vorder- und Rückseite des Personalausweises muss man das persönlich ausgefüllte und unterschriebene Formular beim entsprechenden Polizeipräsidium in einem verschlossenen Umschlag abgeben. Wichtig: Alleine in Bayern gibt es vier Polizeipräsidien mit jeweils eigener Datenbank. Ein Antrag beim Münchner Polizeipräsidium wird alleine für München Wirkung entfalten. Möchte ich man wissen ob man in einer der anderen Datenbanken auftaucht, muss man auch bei diesen Polizeipräsidien einen Antrag stellen.
  • Welche Daten könnten über mich gespeichert sein?
    Da die SKB-Datenbanken bisher im Verborgenen geführt werden, der bayrische Datenschutzbeauftragte umgangen wurde und weder die Errichtungsanordnung noch der Umfang der gespeicherten Daten bekannt sind, ist diese Frage aktuell nicht abschließend zu beantworten. Laut der Antwort des Innenministeriums auf die Landtagsanfrage können u.a. folgende Daten erfasst sein: Personenbezogene Daten (insbesondere Namen, Alter, Beruf, körperliche Merkmale, Sprache), Sachdaten, Kommunikationsmittel, Deliktsdaten, Lichtbilder, Adressen, Orte, fußballrelevante Daten (Stadionbesuche, Gruppenzugehörigkeit usw.) und Verknüpfungen dieser Daten.
  • Kann es sein, dass ich aufgrund meiner Anfrage in die Datenbank aufgenommen werde?
    Ein solches Vorgehen wäre in hohem Maße unzulässig, da das Auskunftsrecht in den Datenschutzgesetzen als grundlegendes Bürgerrecht geschützt wird. Dieses Recht in Anspruch zu nehmen darf unter keinen Umständen zu einer Eintragung in der Datei führen.
  • Wie lange dauert es bis ich eine Antwort erhalte?
    Zunächst werdet Ihr innerhalb weniger Tage eine Eingangsbestätigung erhalten und die Kopie des Personalausweises zurückgesendet bekommen. Üblicherweise sollte die Beantwortung Eurer Anfrage innerhalb von vier Wochen erfolgen. Erhaltet Ihr innerhalb dieser Frist keine Antwort, sollte man einmal freundlich nachhaken. Erhält man innerhalb von drei Monaten keine Auskunft, ist einem grundsätzlich der Klageweg eröffnet, denn als Betroffener hat man einen Anspruch auf die Erteilung einer Auskunft.
  • Auch nach drei Monaten habe ich keine Antwort erhalten, was soll ich tun?
    Bitte setzt Euch mit der Club Nr. 12 Rechtshilfe oder dem Fanprojekt München in Verbindung, damit wir gemeinsam überlegen können welche Schritte zu unternehmen sind. Für den Fall, dass der Klageweg beschritten werden soll, können wir Euch anschließend auch den Kontakt zu einem Fananwalt vermitteln. Unter Umständen kann hier als Alternative zum Klageweg auch der bayrische Datenschutzbeauftragte eingeschaltet werden.
  • Eine Antwort habe ich erhalten, aber was mache ich nun damit?
    In jedem Fall ist es um den Erfolg der Aktion zu bewerten hilfreich, wenn Ihr uns oder das Fanprojekt darüber informiert, dass Ihr eine Antwort erhalten habt. Prüft die Auskunft auf mögliche Lücken oder Unklarheiten und hakt bei der Polizei nach, wenn Ihr der Meinung seid, dass die Auskunft Fehler aufweist. Auch hier gilt: Ihr habt Anspruch darauf, über alle gespeicherten persönlichen Daten informiert zu werden. Erteilt man Euch nur eine unvollständige Auskunft, steht Euch grundsätzlich der Klageweg oder die Möglichkeit zur Einschaltung des bayrischen Datenschutzbeauftragten offen. Kommt dafür bitte auf die Rechtshilfe oder das Fanprojekt zu, damit wir Euch dabei unterstützen können.
  • Über mich sind Daten erfasst worden, was mache ich nun?
    Insbesondere wenn es keinen berechtigten Anlass für die Speicherung Eurer Daten gibt, solltet Ihr überlegen einen Antrag auf Löschung der Daten zu stellen, da die Daten sonst über mehrere Jahre (möglich sind bis zu 10 Jahre) gespeichert bleiben und unter Umständen zu Eurem Nachteil verwendet werden können. So gibt es beispielsweise keine 100%ige Kontrolle darüber, wer alles Zugriff auf die Daten hat und die Polizei behält sich vor, "relevante Sachverhalte" zum Zweck der Prüfung eines Stadionverbots an die Vereine weiterzuleiten.
  • Die von mir erfassten Daten möchte ich löschen lassen, wie kann ich das erreichen?
    Um die Daten löschen zu lassen, muss man erneut einen Antrag stellen, ggf. auch eine Klage auf Löschung erheben oder den bayrischen Datenschutzbeauftragten einschalten. Unterstützung dabei erhaltet ihr auch hier entweder über das Fanprojekt oder die Club Nr. 12 Rechtshilfe, die euch in Zusammenarbeit mit einem Fananwalt bei der Antragsstellung unterstützen können.
  • Warum ruft die Club Nr. 12 Rechtshilfe dazu auf diese Auskunftsanträge zu stellen?
    Die Club Nr. 12 Rechtshilfe verfolgt mehrere Motive: Zunächst einmal machen wir im allgemeinen die Erfahrung, dass die allerwenigsten Betroffenen Kenntnis darüber haben, dass ihre persönlichen Daten gespeichert werden und wir wollen deshalb die Möglichkeit aufzeigen hierüber Gewissheit zu erlangen. Darüber hinaus ist es unser Bestreben Euch dabei zu unterstützen, mögliche Nachteile für Euch durch die Speicherung von persönlichen Informationen zu verhindern. Und zuletzt ist es uns auch ein Bedürfnis diese mehr oder weniger im verborgenen geführten Datenbank an die Öffentlichkeit zu bringen, da nur so eine Chance darauf besteht, Transparenz und Kontrolle bei der Sammlung und Verwaltung der Daten zu gewährleisten.
  • Warum soll ich meinen Antrag bei Euch abgeben?
    Dir steht es absolut frei deinen Antrag selbst bei der Polizei abzugeben und uns aus diesem Verfahren draußen zu halten. Wir verstehen unser Angebot als Hilfestellung ohne Zwang. Von einer gesammelten Anfrage versprechen wir uns in erster Linie Öffentlichkeit für die Aktion und die Chance einen gewissen Druck zu erzeugen, dass die Datenbanken nicht direkt wieder in der Versenkung verschwinden aus der man gerade dabei ist sie rauszuholen.

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