Entschädigung von Fußball-Fans nach Polizeieinsatz
In der vergangenen Woche ging ein Raunen durch den Blätterwald und wenn es auch nicht zu einem großen Aufschrei kam, barg eine Meldung doch eine große innenpolitische Sprengkraft.
Was war passiert? Im Jahr 2007 kam es am Rande des Amateurederbys in München zu einer Begegnung zweier Fußballfans mit den bayerischen Spezialkräften der Polizei, USK sowie dessen Pfefferspray und Schlagstöcken. Da sich die beiden Fans zu unrecht attackiert fühlten und bei dem Einsatz Verletzungen davon trugen, erstatteten sie Anzeige gegen die Polizeibeamten. Die Ermittlungen ergaben, dass der Einsatz als unverhältnismäßig angesehen werden musste, eine Verurteilung der Täter scheiterte aber an deren mangelnder Identifizierbarkeit. So wurde das Verfahren letztlich eingestellt. Gegen diese Einstellung wehrten sich die Geschädigten nun mit Erfolg vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Unterstützt wurden sie dabei von Anwälten der AG Fananwälte und dem Fanrechtefonds, einem Unterstützungsfonds zur Wahrung von Fanrechten, den auch der Club Nr. 12 in der Vergangenheit u.a. mit finanziellen Hilfen gestützt hat.
Der EGMR entschied, dass die Geschädigten in ihrem Recht auf effektive und unabhängige Ermittlungen in Fällen mutmaßlicher Polizeigewalt, das sich aus dem Folterverbot ergibt, verletzt wurden. Konkret rügte der EGMR die fehlende individuelle Kennzeichnung der eingesetzten Beamten, die eine Identifizierung unmöglich machte, sowie die nachlässige Ermittlung bei der Aufklärung des Vorfalls. So wurden z.B. weder die eingesetzten Beamten verhört, noch konnte das beim Einsatz angefertigte Videomaterial herangezogen werden, da dieses plötzlich verschwunden war. Darüber hinaus kritisierte das Gericht, dass die Ermittlungen von Kollegen derselben Polizeibehörde durchgeführt wurden, der auch die angeschuldigten Polizisten angehörten. Dies genügt nicht den Kriterien einer unabhängigen Ermittlung. In der Konsequenz führt dies zu einer faktischen Straflosigkeit von bestimmten Gruppen unter den Polizeibeamten. Ein Zustand der in einem demokratischen Rechtsstaat wie der Bundesrepublik Deutschland nicht hinnehmbar ist.
Unterm Strich ist diese Entscheidung eine deutliche Ohrfeige für alle Politiker und Lobbyisten, die eine flächendeckende Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte und eine unabhängige Ermittlungseinheit in Fällen mutmaßlicher Polizeigewalt in Deutschland nach wie vor verhindern. Der Club Nr. 12 unterstützt deshalb die Forderung an die Politik (exemplarisch dieser Kommentar der Süddeutschen Zeitung), aufgrund der Entscheidung des EGMR endlich flächendeckend die Rahmenbedingungen für eine effektive und unabhängige Ermittlung in Fällen von Polizeigewalt zu schaffen.
Club Nr. 12 Rechtshilfe, November 2017
Weitere Informationen
Urteil im Wortlaut
Pressemitteilung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
Stellungnahme von Amnesty International